Preisdumping am Beispiel von Transkriptionen

In diesem Blogbeitrag wird das Problem des Preisdumpings in der Transkriptionsbranche angesprochen, das zu unzureichenden Löhnen für Freiberufler führt und die Qualität der Dienstleistungen beeinträchtigt.
Inhalt
Bild Euro Geldscheine Zahlungspraxis
Geldscheine

Bin vor längerem schon einmal auf die Seite machdudas & Konsorten aufmerksam geworden – ich möchte mir dabei kein allumfassendes Urteil erlauben – aber für die Bereiche nach denen ich mal ein wenig gebrowst hatte, Übersetzungen und Transkriptionen, musste ich doch einen ziemlichen Preisverfall feststellen. Natürlich ist das Thema bspw. in Übersetzerkreisen, wie auch in anderen Branchen, weit verbreitet, dass Dienstleistungen jenseits von vernünftiger Preispolitik angeboten werden und man sich die Frage stellt, in wie fern diejenigen, die solche Angebote (in dem Beispiel was ich gefunden hatte war der Preis direkt mit angeben) annehmen und davon ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Im Beispiel der Eingangs genannten Seite, welche ich nicht überbetonen möchte, da es nur eine von vielen ist, sind die Antworten auf die Ausschreibungen für jeden sichtbar. Dass der ohnehin schon niedrige Preis darin noch unterboten wird kann ich nicht wirklich nachvollziehen.

Um das Ganze noch ein wenig zu untermauern und ggf. zur Diskussion anzuregen, hier ein kurzes Zahlenbeispiel für die Transkription von Interviews. Für das Verschriftlichen von Gesprächsdaten (Audiodaten) kann man für die Arbeitszeit mindestens mit dem Faktor 4 bis 6 rechnen. Dies bedeutet für eine Stunde Ausgangsmaterial (1h Audio) benötigt man  im Schnitt 5 Arbeitsstunden. Natürlich sind kürzere Audioschnipsel auch mit dem Faktor 3 zu bewältigen, aber transkribieren benötigt Konzentration, da verschiedene Faktoren eine Rolle spielen: Anzahl der Sprecher, Sprechgeschwindigkeit, Tonqualität, Dialekt, Hintergrundgeräusche etc. pp.

Dies soll heißen, um eine Audiodatei zu verschriftlichen genügt es nicht, wie man evt. als Novice annehmen würde, mit einem 1:1 Aufwand zu kalkulieren, sondern es umfasst wiederholtes hören und bei längeren Audiodaten auch  Pausen, um auch keinen Punkt, keine Äußerung zu überhören. Natürlich mag es auch Transkriptionen jenseits von akademischen und wirtschaftlichen Interessen geben, in der Regel zielen aber solche Ausschreibungen doch eher auf jene solche ab.

Preisgestaltung

Nach dieser Erläuterung meiner subjektiven Einschätzung zum Prozess der Transkription, nun zurück zur Preisgestaltung. Ich möchte bewusst nicht auf die besagten Einträge verlinken, sondern vielmehr das Thema im Allgemeinen, hinsichtlich der Zahlungspraxis beleuchten. Sagen wir mal der Anbieter X gibt einen Minutenpreis von 0,40 Euro für die Transkription an. Bedeutet, pro Audiostunde gibt es ganze 24 Euro. Nicht schlecht oder? Nimmt man nun meine vorherigen Ausführungen, dass man im Durchschnitt mit dem Faktor 5 rechnen kann (3 ist auch möglich, aber dies kann am besten nach einer Transkription von 7+ Audiostunden beurteilt werden:) , bedeutet dies einen Stundenlohn von 4,80 Euro.

Als Stundenjob u.p.U. ein Preis mit dem evt. leben kann, aber als Freiberufler nicht wirklich. Ich möchte an dieser Stelle nicht an eine populistische Diskussion zum Thema was ist eine gerechte und was eine nicht gerechte Bezahlung anknüpfen, es geht vielmehr darum, einen Teil von Honorar-Stunden-Dumping-Löhnen-Preisen what-so-ever heraus zu picken und eine subjektive Meinung darzustellen. Sicherlich gibt es hierfür auch Gegenmeinungen oder Zustimmung – aber, um an den Eingangssatz anzuknüpfen, was man auf Job- oder Ausschreibungsportalen zu sehen bekommt, kann einen Freiberufler oder Selbständigen, der von diesen Dienstleistungen seine Existenz bestreitet, doch schon bitter aufstoßen.

Abschließend möchte ich hinzufügen, dass man diese Portale und die darin ausgeschriebenen Angebote, sowie ähnliche mach-es-wer-auch-immer Seiten, natürlich nicht überbewerten darf. Unternehmen wissen was sie an professionellen Schreib- oder Übersetzungsdienstleistern erwarten können und werden auch weiterhin diese nutzen. Nutzer die auf solche Angebote wie das oben beschriebene eingehen werden ggf. kurzfristig Erfolg haben, eventuell ist es auch eine Art Nebenverdienst, aber davon dauerhaft zu leben … who know’s.

Ein Blick über den Tellerrand

[folgende Zeilen entstanden 2 Jahre nach diesem Artikel.] Da das Thema Transkription zunehmend interessanter wird, unter anderem aufgrund steigender medialer Inhalte im Netz, die textlich aufgearbeitet werden wollen, lohnt sich ein Blick über den großen Teich. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von US-Anbietern für Transkriptionen. Ein Blick auf deren Preisgestaltung lässt den gemeinen Unternehmer aufhorchen, wie dies realisierbar ist. Antwort 1: Offshoring nach Indien / Outsourcing to Low Cost Countries. Antwort 2: Amazon mechanical turk.

Ohne zu weit ins Detail gehen zu wollen, sei jedem Interessierten der folgende englische Artikel ans Herz gelegt, der in gewisser Weise über die Dienstleistung der Transkription im Web-Hype scheinbar Anwendung findet: „I make $1.45 a week and I love it“ – frei übersetzt: „Ich verdiene 1.45 $ die Woche und liebe es.“ Wirklich ganz kurz zusammengefasst: Menschen transkribieren bei Amazon’s Turk (oder ähnlichen Plattformen) nicht des Geldes wegen – Nein! – sie tun es um an etwas teilzuhaben, einen Beitrag zu leisten oder ihre Zeit zu vertreiben, schlichtweg etwas zu MACHEN. Diese Sichtweise war mir bislang nicht in den Sinn gekommen, aber bei wenigen Cents für eine Audiominute wiederum eine gute Erklärung, über die Motivation.

Ergo, große Startups machen mittlerweile Millionen mit diesen Services basierend auf diesem Modell, weil sie Dienstleistungen fast für Lau einkaufen und für einen sehr günstigen Preis verkaufen, verglichen zu dem, was der Service mit einer regulären Arbeitskraft kosten würde. Feine Sache könnte man meinen, ich persönlich halte es da mit Norbert Blüm, der mal auf einer Konferenz sinngemäß meinte, dass es sich eines Tages rächen wird, wenn der Arbeit immer weniger Wert beigemessen wird, dafür aber umso mehr dem Geld. Das kann mit gesundem Menschenverstand nicht gut gehen.

» Jobs für Schreibkräfte – Geld verdienen mit Schreibarbeiten.

Nachtrag vom 16.12.09:

Beim Lesen verschiedener Beiträge zum Thema Transkription bin ich auf die FAQs von Audiotranskription de gestoßen. Die Einschätzung zur Arbeitszeit für eine Stunde Audiomaterial von 5h liegt wohl eher am unteren Ende. Hier spricht man von einem Aufwandsrahmen 1:5 bis 1:10. (Link: FAQ Audiotranskription). Dies entspricht wohl eher einer realistischen Abschätzung. Wenn ich selbst transkribiere unterschätze ich den Zeitaufwand auch jedes Mal, weil zwischendurch andere Aufgaben zu erledigen sind, so dass die effektive Gesamtzeit wohl durchschnittlich, mit Korrektur, kurzer Recherche zu Fachbegriffen, Eigennamen etc. bei 7 Stunden liegen dürfte, je nach Art und Qualität der Gesprächsdaten.

5 Antworten

  1. Preisdumping ist das eine, aber dann noch die passende Qualität dazu liefern das andere. Musste es leider feststellen, dass bei einem 55 Cent Anbieter gar nichts geklappt hat, ein einziges Desaster. Angefangen von der Übermittlung der Daten, über die Abwicklung bis schließlich zum Auftragsabbruch. Ist auch egal, was ich noch hinzufügen möchte ist das, dass wenn jemand offen auf seiner Seite angibt bspw. für 7 Euro die Stunde tätig zu sein – als Freiberufler / Unternehmer (!) – dann wundert man sich über gar nichts mehr. Kostenrechnung, KV, QM etc. sind in dem Fall nur Fremdkörper oder es gibt Support von anderer Seite, spricht Amt oder so;. Muss dem oben beschriebenen absolut beipflichten, da hilft nur eins, drüber schmunzeln und weitermachen.
    Gruß

  2. Hallo,

    ich kann den Artikel oben nur bestätigen. Ich bin selber als Transkriptorin tätig, auf deutsch und englisch. Normalerweise arbeite ich asl „feste Freie“ für ein Unternehmen, welches 17 Euro pro Stunde zahlt und wo ich auch generell 1 Stunde für 10 Minuten Audiomaterial berechne. Ich liegt meist auch etwas drüber, mit dem Zeitaufwand aber damit kann ich leben. Als ich nun auf der o.g. Seite unterwegs war, war ich – gelinde gesagt – entsetzt. Man verlangt Qualität und Flexibilität (was meist auch in Nachtarbeit resultiert)und bietet erstaunliches Honorar an bzw. lässt sich anbieten. Tut mir leid. Aber ich transkribiere von Samstag abend auf Montag früh keine 120 Minuten Audiomaterial für 72,00 Euro gesamt. Das funktioniert m.E. nur, wenn einer im Haushalt genügend Gehalt nach Hause bringt um dass der andere jeweils die Urlaubskasse nur aufzubessern braucht!

    Beste Grüße!

  3. Interessanterweise sollte man sich auch mal die englische Sphäre der Transkriptionswelt anschauen – da läuft vieles über Amazon Mechanical Turk (ein von Andreas Türck ins Leben gerufene Initiative;)- Audiofiles werden an viele fleißige Helferlein weltweit (somit quasi eine anonyme Workforce) verteilt und transkribiert – und preislich geht da einiges – übertragen auf den deutschsprachigen Raum sicherlich eine Möglichkeit die Low-Budget Mentalität noch weiter in den Keller zu treiben… da fällt mir noch ein: ‚Hobby-as-a-Service‘ in Anlehnung an Software as a Service – nun ja

  4. Zitat in einer ‚Ausschreibung‘: „Wer möchte Interviews ab 35 Cent pro Audiominute abtippen?“ – Paraphrasiert für Schreibkräfte bedeutet dies sinngemäß: „Wer möchte ab 3,50 Euro je Stunde arbeiten“… Bitte mal wissenschaftliche Quellen oder auch bei erfahrenen Anbietern nachfragen, wie lange man für eine Audiostunde im Durchschnitt benötigt… ohne Worte

    Zitate aus dem Transkriptionsbereich die den Preisverfall unterschreichen, und die mich persönlich zum Rückzug aus der Branche bewegt haben. Wer seine akademischen Transkriptionen von Interviews zu diesem Preis einkauft, braucht sich nicht zu wundern, was der dafür zu erwarten hat.

    „Meine Kommilitonen bezahlen zwischen 35 und 55 Cent die Minute inklusive Mehrwertsteuer.“

    Nach zahlreichen Gesprächen mit Kollegen aus dem Schreibgewerbe kommt man zum Schluss, dass leider zu wenige den effektiven Aufwand wirklich abschätzen können, und zudem auf Tippgeschwindigkeit hinweisen, was von erfahrenden Schreibkräften bei Interviewtranskriptionen nur mit einem Lächeln quittiert werden kann. Transkribieren Sie selbst 60 Minuten eines normal bis schnell gesprochenen Interviews nach den Standard-Transkriptionsregeln, besser 600 Minuten über zwei Wochen hinweg, und geben Sie dann ein Preisangebot ab. Wer die Transkription von Sprachinhalten perfekt beherrscht und fehlerfreie, korrekte Transkripte abliefert wird sich über kurz oder lang nicht in dem Bereich aufhalten bei dieser immer weiter fallenden Preisgrenze.

    Dass das Ganze für Studenten, aber auch gewerbliche Endkunden allemal preisintensiv ist, bleibt außer Frage. Die investierte Arbeitszeit in eine Transkription von Interviews oder sonstigen Gesprächsdaten sollte aber ausschlaggebend sein.

  5. Gerade entdeckt, dass der ‚Branchenprimus‘ in Sachen low… seinen fünften oder sechsten Seiten-Relaunch, natürlich wieder mit neuer Domain, durchgeführt hat. Nur als Tipp für Studenten, die nach Transkriptionsdienstleistungen suchen, liegt der Studentenpreis 50% unter dem ohnehin schon sehr niedrigen Preis, sollte man sich überlegen, ob es für eine Schreibkraft realistisch machbar ist, davon zu leben, und zum anderen die Dienstleistung ernsthaft so zu liefern, wie angepriesen, oder ob es nur eine ‚Masche‘ ist. Im Zweifel einfach mal Foren durchstöbern, wo nachzulesen ist, dass man gut und gerne in solchen Fällen per Vorkasse über den Tisch gezogen wird. Wie gesagt, muss nicht sein, aber eine kurze Recherche zum Anbieter seiner Wahl hilft sich davor zu schützen.
    Eine Schreibkraft