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Preise für Übersetzungen und merkwürdige Anfragen

Über die Preisgestaltung in der Übersetzerbranche ließen sich sicherlich ganze Foren mit füllen. Es gibt zwar Empfehlungen von Übersetzerverbänden wie dem dem VÜD – Verband der Übersetzer und Dolmetscher e.V. oder dem BDÜ – Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V., welche Preise in der Branche üblich sind, wenn man sich aber beispielsweise auf Übersetzer-Jobportalen wie proz.com oder translatorscafe.com umschaut und die Ausschreibungen verfolgt, dann kommt man als Übersetzer schon ins Grübeln wo man eigentlich ansetzen soll.

Ich möchte in diesem Beitrag keine Debatte über falsche und/oder richtige Preise erörtern, sondern kurz auf Anfragen, die ich relativ häufig über das translationdirectory.com erhalte, eingehen. Natürlich sollten diese Anfragen keinesfalls der Maßstab sein und sind es sicherlich auch nicht, aber da derartige Direktanfragen in letzter Zeit häufiger eintreffen, hier ein paar Gedanken zu den Hintergründen.

In der Regel sind derartige Anfragen in etwa so formuliert:

we need translators. send me your detailed resume. email.“  ODER „I have 10000 words. need it back till … I can pay 0,03 US$“ ODER „We are expanding our databases. Contact us„.

Ok, ggf. schreiben sie ein wenig mehr, aber im Prinzip war es das auch schon. Kein Name, keine Adresse und natürlich Dumpingpreise. Im Hinblick auf internationale Märkte sind zum Teil niedrige Preise natürlich keine Ausnahme, die Art der Kontaktaufnahme ist aber doch mehr als suspekt. Darüber groß nachzudenken ist eigentlich Zeitverschwendung, diese E-Mails landen sowieso bei mir direkt im Papierkorb.

Ich frage mich aber dennoch, ob sich jemand daraufhin meldet und sei es nur um seinen Unmut auszudrücken. Abgesehen von diesen unterirdischen Anfragen gibt aber auch Ausschreibungen auf den üblichen Übersetzerportalen, die natürlich in den Foren (bspw. bei proz) heiß diskutiert werden. Passend dazu hat proz.com nun damit begonnen dagegen vorzugehen – siehe hier http://www.proz.com/about/ipetition. Wie im Weiteren aber ‚annehmbare‘ von ‚inakzeptablen‘ Preisen zu unterscheiden sind, bleibt abzuwarten. Dazu wird angestrebt keine Preise in den Job-Ausschreibungen anzugeben, so dass jeder Übersetzer praktisch, den für ihn annehmbaren, wirtschaftlichen Preis angeben kann. Darüber kann man geteilter Meinung sein, weil ein Richtwert, welcher vom Auftraggeber angegeben werden kann, durchaus positiv wäre.

Im Grunde genommen ist es ja so, dass eine Übersetzungsagentur im Voraus genau weiß, welchen Preis sie beim Endkunden verlangt und eine entsprechende Marge hat.

Wie kann ich als Übersetzer den ‚richtigen‘ Preis festlegen?

Darauf gibt es sicherlich keine allumfassende Antwort. Auf jeden Fall sollte ein freiberuflicher Übersetzer selbst wissen, wie viel und zu welchem Preis er seine Dienstleistung anbieten kann und sollte, damit er am Monatsende alle seine Kosten decken kann und zusätzlich auch Gewinn machen kann. Dazu ein kurzes Rechenbeispiel: [allgemeines Beispiel]

1. Wie viele Worte übersetze ich pro Tag?

Aus meiner Erfahrung kann man mit ca. 2000 Wörtern pro Tag rechnen. Als erfahrener Übersetzer, in einem Fachgebiet in dem man sich spezialisiert hat, sind auf jeden Fall auch mehr möglich. Aber für die Kalkulation finde ich es als angebrachten Ausgangswert.  (Bitte weiterlesen, da die machbare Wortzahl pro Tag keinesfalls der ausschlaggebende Faktor sein sollte.

2. Wie viele Aufträge habe ich im Monat?

Und hier wird es schon schwieriger. Wie jeder Selbständiger weiß, ist eine objektive Angabe der monatlichen Aufträge niemals 100-prozentig planbar. Natürlich sollte man mit einem gefestigten Kundenstamm eine gewissen Mindestanzahl an Aufträgen haben, aber dazu brauche ich ja nichts  zu sagen, wie schwierig dies realisierbar/planbar ist. Annahmen, dass man mit mit 20 Tagen im Monat á  2000 Wörtern rechnen kann, wäre eine allzu schöne Annahme, bzw. auch machbar, wenn man die geforderte Qualität liefert. Für die Kalkulation sollte man entsprechend seiner eigenen Erfahrungen den Wert wählen.

3. Welche Preise verlange ich beim Kunden / von der Agentur?

Hahaha. Die Frage nach dem Heiligen Gral. Wenn man Punkt 1 und Punkt 2 zusammenzählt muss man nun selbst auf den Wert kommen, den man für angemessen hält, keinesfalls würde ich mich dabei auch auf einen Fixwert einschießen, dies hängt sicherlich auch mit der Auftragslage und dem Kundenstamm zusammen. Um aber dennoch einen Preisspanne anzugeben, weil mich dies beim Lesen von Forenbeiträgen selbst immer brennend interessiert, würde ich einfach mal eine Spanne in den Raum werfen, die man bei Recherchen von Preislisten und bei Agenturen, sowie bei Jobausschreibungen so mitbekommt: 0,01 Euro bis 0,30 Euro je Wort. (wohlgemerkt, das sind die Preise, auf die man im Netz stößt)

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Gut, diese Spanne ist vermessen, aber leider Realität, wenn man nur mit offenen Augen das Geschehen auf dem Übersetzermarkt verfolgt. Ich möchte an dieser Stelle keinen Best-Practice-Wert festhalten, weil es einfach nicht möglich ist. Fest steht jedoch, dass wenn man sich unterhalb einer bestimmten Grenze ‚verkauft‘, in gewisser Weise selbst Schuld ist. Der Markt ist breit gefächert und mit Dumping-Angeboten ist nur auf eine Art und Weise zu verfahren: schlichtweg ignorieren. Ich habe mich selbst zu Beginn meiner selbständigen Tätigkeit darüber aufgeregt, im Endeffekt ist es aber reine Zeitverschwendung zu sehr darüber nachzudenken. Wie es derartige Angebote von Übersetzungsbüros gibt, gibt es genauso gute und zuverlässige Agenturen und Kunden, die bereit sind, den Preis für die Übersetzung zu zahlen, den die Dienstleistung auch wirklich wert ist.

Denn am Ende des Tages werden die übersetzten Dokumente für das jeweilige Unternehmen (öffentlich) verwendet,  und wenn eine Dienstleistung so wenig ‚Wert‘ hat, wie beim eingangs erwähnten Beispiel, dann ist das Resultat, nämlich in dem Fall die Übersetzung, schlussendlich auch nur das qualitativ wert, für was man zahlt.

Die Sicht des Übersetzungsbüros

Neben der Preisfindung für den Übersetzer ist natürlich auch die Sicht der Agentur, respektive des Übersetzungsbüros interessant. Hier sollte man sich als Übersetzer immer vor Augen halten, dass diese die Dienstleistung einkaufen und im Anschluss an den Endkunden verkaufen.
Ich persönlich finde das Praxisbeispiel mit Elektronikfachmarkt zur Veranschaulichung gelungen. Angenommen das Produkt ‚Fernsehgerät‘ entspricht der Dienstleistung ‚Übersetzung‘, so kauft der Händler vom Hersteller das Produkt ein, und verkauft es nach Aufschlag der Gewinnspanne, den Aufwendungen etc. pp. an den Endkunden.

Entsprechend sollte man also als Übersetzer bei der Preisfindung berücksichtigen, dass der Kunde das ‚Fernsehgerät‘ beim ‚Händler‘ oder auch beim ‚Hersteller‘ beziehen kann. Welche Arbeit der ‚Händler‘ dabei abnimmt (oder auch nicht) sei in einem Folgebeitrag beschrieben. [metaphorische Beschreibung /Ende]

Fazit – Künftige Preisentwicklung bei Übersetzungen

Abschließend noch ein persönlicher Gedanke zur künftigen Preisentwicklung in der Übersetzer-Branche. Mit den Möglichkeiten der automatisierten Auftragsabwicklung mithilfe von Bestellsystemen schaffen es einige Anbieter die Preise und in gewisser Weise auch ihre Margen sehr klein zu halten und über die Masse dennoch stattliche Gewinne einzufahren. Einer der mittlerweile größten deutschen Anbieter, dessen Name ich hier nicht nennen möchte, schafft es Preise anzubieten, bei denen sich so mancher Übersetzer fragt, wie dies realisierbar sei. Man kann sich hierzu leicht über das Formular direkt auf der Webseite und in Echtzeit den Wortpreis anzeigen lassen.

Wenn man sich Sprachpaare aus dem osteuropäischen Raum anschaut, beispielsweise Deutsch – Russisch Übersetzungen, treten Preise zu Tage, wo ich mich frage, wie diese realisierbar sind, bzw. welche Preise am Ende dem Übersetzer gezahlt werden? Um sich selbst davon zu überzeugen sollte man einfach mal einen Text mit 1000 Wörtern in eine der zahlreichen „Sofort-Angebot-erstellen-und-bestellen“-Anbieter einfügen. Der Preis bspw. für DE-RU, Fachgebiet Allgemein, liegt bspw. bei 7 Cent, inkl. einen Zweitkorrektor! Ich möchte dies am Schluss einfach mal offen stehen lassen, schließlich macht es ja die Masse. Kommentare, Anregungen und Kritik sind wie immer herzlich willkommen. Ende.

Nachtrag

Und wieder eine dieser Anfragen vom Typ ‚Minimal Request‘

Hello;
Please send your Cv , and provide below information;
1- your native Language?
2- number of words you can translate per hour and working hours per day?

Thanks

Das ganze natürlich von einer x-beliebigen Gmail-Adresse via trans…directory und dem Betreff-Feld: „Longterm Coopeeration“ (der Tippfehler ist nicht von mir:). C’est la vie.

4 Antworten

  1. und noch eine von TD
    „We have English to German translation project,If you are available and interested please send me your Cv and best rate in usd for more information.“ – thats it – ok, der Vorname und eine x-beliebe Gmail Adresse – ab in den Papierkorb

  2. Aus der TranslationDirectory Anfragen-Reihe:

    „…I am looking for a good translator … English to German…
    I can pay US$0.02/target word for this scanned PDF file.

    My terms of payment: 35 days after the date of invoice via Bank Transfer.
    …have it finished in 15 hours from the date you receive…
    … please email me your CV to …“ und eine kryptische E-Mail… Mkay

    Nun gut, neben dem Papierkorb hier eine Zweitverwertung : )

    Und noch mehr merkwürdige Übersetzungsanfragen:

    „Hi,

    Are you available to translate 5700 words till 13 Nov?
    Please let me know.

    Thanks.“

    Keine Anrede, kein Kontext, von einer x-beliebigen you-translate-for-free-or-so-com E-Mail

  3. Wahre Worte! Übersetzungspreise per se festzumachen ist schwer, aber wer auf die oben angeführten Anfragen eingeht, der sollte hinterfragen, ob er dieses Vorgehen auch im echten Leben so machen anwenden würde – einem Fremden eine aufwendige Dienstleistung zu erbringen, bzw. überhaupt auf diese fragwürdigen Anfragen einzugehen. MfG Peter

  4. Und die Liste setzt sich endlos fort. Eben entdeckt: „Übersetzer für XYZ gesucht“. Ausführliche Beschreibung der professionellen Anforderungen an den Übersetzer und dann eine Preisangabe 0,05 USD je Wort. Ja, die Textlänge waren ca. 50 Wörter. Der Ausschreibende kommt allerdings nicht wie im oben geschilderten Szenario aus Indien, sondern aus der teuersten Stadt Deutschlands. Auch wenn dies kein ausschlaggebendes Kriterium sein sollte, die Herkunft des Auftraggebers, zeigt es doch indirekt, wie der potentielle Kunde den Wert der Dienstleistung / diese an sich einschätzt. Mach-es-wer-auch-immer-Punkt-egal-was. Nun ja, die nächste Episode folgt.

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